Affirmationen als kraftvolle Ressource im Trainerberuf

Affirmationen als kraftvolle Ressource im Trainerberuf

Affirmation im Sport

Auch im Training ist der Dialog entscheidend.

Die Wirkung affirmativer Kommunikation

Ein Trainer braucht genauso wie die Athleten viele verschiedene Fähigkeiten: Fachliches Know-how, Sozialkompetenz, einen grossen Erfahrungsschatz und eine ausgeprägte Kommunikationsgabe. Setzt er im Dialog mit seinen Athleten bewusst positive Formulierungen («Affirmationen») ein, kann er in Sekundenschnelle ein leistungs- und lernförderliches Klima schaffen.

«Du darfst den Fuss auf keinen Fall flach aufsetzen, dann läufst du zu passiv», sagt der Trainer zu seiner Athletin. Sie nimmt die Anweisung auf, visualisiert sie und macht denselben Fehler wie vorher nochmal – trotz entschlossener Haltung, die falsche Bewegung auf jeden Fall zu vermeiden. Wie kann dies geschehen? Ganz einfach: vor ihrem geistigen Auge entstand das Bild eines flachen Fussaufsatzes, den sie jedoch unbedingt zu vermeiden hatte.

Was hat sie nun falsch gemacht? Nichts. Denn die Anweisung ihres Trainers war irreführend. Die Aussage ist zwar sprachlich korrekt, hat aber die Visualisierung der inkorrekten Bewegung ausgelöst. Der auszuführende Bewegungsablauf wurde gar nicht erwähnt, weshalb es der Athletin daraufhin auch so schwerfiel, ihn zu visualisieren und dann umzusetzen.

Als Linguistin und Trainerin interessiert mich die Kommunikation im Trainerberuf besonders auch aus sprachwissenschaftlicher Perspektive. Deshalb ging ich den folgenden Fragestellungen nach: Welche Formulierungen sind in der Kommunikation zwischen einem Coach und seinen Athleten förderlich? Wie kann mit gezielten sprachlichen Formulierungen das Bewegungslernen positiv beeinflusst werden? Welche Aussagen können das Selbstvertrauen stärken?

Ich coache, also kommuniziere ich

Das Mosaik, um sportliche Höchstleistungen zu erbringen, ist komplex und vielfältig. Es braucht ein individuell abgestimmtes Trainingsprogramm mit gezielt gesetzten Trainingsreizen, eine ausgewogene und auf Bedürfnisse des Athleten abgestimmte Ernährung, mentales Training, ein leistungsförderliches und in jeder Situation unterstützendes Umfeld, ein medizinisches Support-Team mit Sportmedizinern, Physiotherapeuten, Masseuren sowie perfektes Equipment für alle Bedingungen.

Vernachlässigt wird bei der Zusammenstellung dieses Mosaiks oft, dass Sprache gezielt als Kommunikationsmittel eingesetzt werden kann und unmittelbare Auswirkungen auf die Trainierenden hat. Neben der non- und paraverbalen Kommunikation dürfen wir die verbale Kommunikation nicht vergessen. Doch schon wieder landen wir in der Negation. Deshalb wäre an dieser Stelle eine positive Formulierung wie «mehr Beachtung schenken» passender.

Die Kraft der Affirmationen

Warum drücken wir eine Aussage in Form einer Negation aus? Mit positiven Formulierungen könnten wir die Kraft der Affirmationen nutzen und bewusst im Dialog mit den Athleten einsetzen. Auf diese Weise kann das Bewegungslernen, das Selbstbewusstsein wie auch das Vertrauen zwischen Coach und Athlet bzw. Athletin gestärkt werden. Zudem lassen affirmative Aussagen eine positive Stimmung aufkommen, was wiederum leistungsförderlich ist.

Hier einige Beispiele aus dem Trainingsalltag: Wie klingen folgende Aussagen?

Negation / neutrale Aussage Affirmation
«Wie ist dein Training gelaufen?» «Was ist heute im Training gut gelaufen?»
«Überfordere dich nicht im Training.» «Trainiere auf deinem individuellen Level.»
«Es geht mir niemand über diese Linie.» «Ihr dürft den Platz bis zu dieser Linie nutzen.»
«Bewege dich nicht verkrampft.» «Bewege dich locker und geschmeidig

Lassen wir die Partikel «nicht» weg und wandeln wir die Aussage in eine positive Formulierung um, hat diese eine viel direktere und kraftvollere Wirkung. Natürlich muss sie vom Empfänger aufgenommen, verarbeitet und umgesetzt werden, doch die Chance dafür ist bei Affirmationen deutlich höher als bei Negationen. Gezielt eingesetzte Affirmationen sind somit eine wertvolle Ressource für Trainer mit unmittelbarer leistungsförderlicher Auswirkung auf die Athleten.

Status quo der Forschung

Verbale Instruktionen spielen in der Vermittlung sportmotorischer Fähigkeiten eine grosse Rolle. Jörn Munzert, Sportwissenschaftler mit Schwerpunkt Sportpsychologie, hat die Bedeutung von Instruktion im Sport genauer untersucht und festgestellt, dass sich die Motorikforschung kaum mit dem Einfluss von Sprache auf das Bewegungslernen befasst hat (Quelle). Dies ist erstaunlich, denn im Gegensatz dazu ist der Bereich mentales Training unter Leistungs- und Spitzensportlern seit Längerem etabliert, auch aufgrund der guten Forschungslage. Dem Einfluss von Sprache aufs Bewegungslernen und Bewegungsausführungen wurde bisher jedoch (zu) wenig Beachtung geschenkt. Dennoch gibt es Beispiele von Trainern, welche Sprache im Dialog mit den Athleten bereits bewusst als Ressource in Training und Wettkampf nutzen.

Annik Kälin setzt auf eine «gemeinsame, differenzierte Sprache»

Marco Kälin, Trainer und Vater von Annik Kälin, der diesjährigen EM-Bronzemedaillengewinnerin im Siebenkampf, setzt in Training und Wettkampf bewusst eine «gemeinsame, differenzierte Sprache» ein. Zusammen mit seiner Athletin hat er Formulierungen ausgearbeitet, mittels welchen die Athletin den Fokus auf bestimmte Aspekte der Bewegungsausführung legen kann.

Im Weitsprung beispielsweise setzt das erfolgreiche Vater-Tochter-Gespann die Phrase «Balken nicht anschauen» bewusst nicht ein, sondern hat diese in eine differenzierte Affirmation umformuliert: «Balken im Augenwinkel anschauen». Zudem setzen sie bewusst Metaphern wie «Ehammer-Hocke» ein – angelehnt an die Weitsprungflugtechnik des Zehnkämpfers Simon Ehammer – um auf diese Weise das «Bewegungsbild» kinästhetisch in Erinnerung zu rufen. Marco Kälin wurde vor Kurzem bei der Schweizer Leichtathletik-Gala zum Trainer des Jahres gewählt und für sein Trainerengagement, das er neben seinem Beruf als Arzt ausübt, geehrt.

Verbale Instruktionen sind wie Gebrauchsanweisungen

Verbale Instruktionen zum motorischen Lernen sind vergleichbar mit Gebrauchsanweisungen zum Zusammenbauen von Möbeln. Für beides braucht es eine Anleitung, die verstanden und dann umgesetzt werden muss. Munzert erklärt, dass eine unklare Formulierung eine falsche (Bewegungs-)Ausführung zur Folge haben kann. Eine individuell an den Athleten angepasste Formulierung hingegen vereinfacht die Umsetzung der Zielbewegung. Genauso wie Marco und Annik Kälin ihre «gemeinsame differenzierte Sprache» entwickelt haben, können auch andere Athleten ihre eigenen Phrasen entwickeln, welche ihnen helfen, sich der perfekten Bewegungsausführung anzunähern – idealerweise sind diese immer positiv formuliert.

«Schneller, weiter, höher» ist immer das Ziel

Ein Trainer-Athleten-Gespann hat somit mit bewusst gewählten kommunikativen Massnahmen eine zusätzliche wertvolle Ressource, um die Bewegungsausführung zu steuern und somit im besten Fall die Leistung zu verbessern. «Ich coache, also kommuniziere ich» bezieht sich nicht nur auf den unmittelbaren Informationsaustausch zwischen Coach und Athlet, sondern beinhaltet auch die performative Dimension. Mit bewusst gewählten Bewegungsanweisungen in Training und Wettkampf kann die biomechanische Umsetzung auch einer bereits hundert- oder tausendfach geübten Bewegung stetig verfeinert werden – was auf dem Wettkampfplatz schliesslich zu Höchst- und Bestleistungen oder gar Edelmetall führen soll.

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Über die Autorin

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Lisa Gubler

Beraterin | Coach | Texterin

Lisa Gubler ist Texterin mit breiter Erfahrung in der Öffentlichkeits- und Medienarbeit über verschiedene Kanäle, insbesondere Printmedien und Social Media. Sie verbindet ihre Arbeit gewinnbringend mit ihrer Leidenschaft für Sport, der sie selber als Athletin und Trainerin nachgeht. Lisa nutzt ihr interdisziplinäres und interkulturelles Verständnis, um Brücken zwischen unterschiedlichen Zielgruppen und Textsorten zu bauen.

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