Ghostwriting
Was Ghostwriting ist und was es nicht ist
Ghostwriting (dt. "geisterschreiben”) ist ein Konzept, das hitzige Diskussionen auslöst. Es wird als am Rande der Rechtswidrigkeit wahrgenommen und nur wenige wissen, was es tatsächlich ist. Überraschenderweise wird Ghostwriting selten im Zusammenhang mit KI diskutiert.
Ich habe tausende akademischer Arbeiten und Manuskripte gelesen, redigiert, überarbeitet, geplant und bewertet und erhalte darum oft die Frage, ob Ghostwriting ein rechtswidriges Vorgehen sei. Darum erkläre ich hier gerne einmal, was Ghostwriting eigentlich ist und wieso ich der Überzeugung bin, dass das Konzept uns in der Handhabung KI-generierter Texte nützlich sein kann.
Was Ghostwriting eigentlich ist
Ghostwriting ist das Verfassen eines Textes im Namen einer anderen Person. Es ist viel verbreiteter als allgemein angenommen. Innerhalb und zwischen Unternehmen, Organisationen und Institutionen werden ständig Texte entworfen und publiziert, deren Autoren nicht genannt werden. Das betrifft Marketingtexte, Geschäftsberichte und Rechtsdokumente genauso wie E-Mails oder Social-Media-Posts.
Neben dem geschäftlichen Ghostwriting greifen auch individuelle Autoren, wie Politiker, Unternehmer oder Prominente, auf Ghostwriter zurück, um ihre Bücher, Reden, Artikel oder Lieder professionell schreiben zu lassen. Ghostwriting ist allgegenwärtig. Und es ist legal.
Die Verantwortung für den finalen Text hat am Ende nicht der Ghostwriter, sondern diejenige Person, deren Name unter dem Text steht. Darum hat sie für gewöhnlich auch das letzte Wort.
Die Gründe, warum Menschen und Organisationen mit Ghostwritern arbeiten, sind dieselben wie bei anderen Formen des Auslagerns: Sie haben weder die Zeit noch die notwendigen Fertigkeiten dazu.
Ghostwriting bedeutet Auslagern
Der Faktor Zeit ist essentiell. Einen Text zu schreiben, der ins Schwarze trifft, braucht Übung, und Übung braucht Zeit. Jemand mit viel Erfahrung und Können schreibt in kürzerer Zeit einen wesentlich besseren Text.
Der Faktor Expertise ist immer relevant. Wie andere spezialisierte Tätigkeiten auch, setzt professionelles Schreiben viele unterschiedliche Fertigkeiten voraus, über die nur wenige gleichzeitig verfügen. Ghostwriter sind sprachlich versiert und wissen, wie man ein Argument überzeugend präsentiert, wie man komplexe Informationen zugänglich macht, wie man die Zielgruppe erreicht und sogar, wie das alles suchmaschinenoptimiert werden kann. Basierend auf diesen Fertigkeiten schaffen Ghostwriter Überzeugungskraft.
Die Überzeugungskraft eines Textes bewirkt, dass die Zielgruppe – das kann die Geschäftsleitung, der Kunde, der Dozent, das Komitee oder sonst ein Zielpublikum sein – von den Fähigkeiten, der Expertise und der Integrität des Autors überzeugt ist und dessen Information als vertrauenswürdig annimmt. Überzeugungskraft macht gerade in einer überreizten Gesellschaft wie der heutigen den Unterschied aus.
Also sind Ghostwriter nichts anderes als Spezialisten, und mit ihnen zusammenzuarbeiten bedeutet, den mühsamen Teil der Arbeit an sie auszulagern.
Wenn die Dinge aber so einfach scheinen, wieso wird Ghostwriting als rechtswidrig wahrgenommen?
Ghostwriting in der Forschung
Die Verwirrung entspringt der Tatsache, dass Ghostwriting meist im Kontext betrügerischer Forschung an die Öffentlichkeit gerät. In akademischen Kreisen widerspricht das Ghostwriting den ethischen Vorgaben, denn von Forschern wird erwartet, dass sie ihre Thesen selber verfassen. Die eigene These von einem Ghostwriter schreiben zu lassen ist verboten und führt in der Regel zum Verlust einer Stelle oder eines Titels.
Es ist in der Forschung also ausschlaggebend, wer den Text geschrieben hat.
Gleichzeitig sind andere Formen der Fremdeinwirkung auf den eigenen Text in akademischen Arbeiten schon lange üblich. Wenn ich zum Beispiel einen Artikel herausgeben will und ihn bei einer Zeitschrift einreiche, dann lege ich ihn vorher einem Kollegen zum Durchlesen vor, um Expertenkommentare zu erhalten und den Text anhand dieser zu verbessern. Nach dem Einreichen bei der Zeitschrift erhalte ich die Anmerkungen der Revisoren, die ich in meinen Text einfliessen lasse. All das hinterlässt deutliche Spuren in meinem Artikel.
Trotzdem bleibt es mein Artikel. Ich entscheide, welche Kommentare ich berücksichtige, und ich bleibe für den finalen Artikel verantwortlich.
Es ist in der Forschung also üblich, dass Anmerkungen anderer in den eigenen Text einfliessen. Das ist aber nicht Ghostwriting, sondern ein klar reguliertes Vorgehen. Nicht reguliert ist hingegen der Einsatz Software-generierter Texte.
KI-generierter Text und Autorschaft
Wenden wir die Frage nach dem Autor auf KI-generierte Texte an, gilt eigentlich die Software, wie zum Beispiel ChatGPT, die den Text erstellt hat, als Autor. Eine Person, die den Text überarbeitet, wird im Grunde genommen nicht automatisch zum Autor des Textes. Der Autor bleibt die Software.
Doch die Software kann sich nicht gegen die Überarbeitung wehren, wie es Forscher tun können. Sobald der Autor seinen Namen unter den Text setzt, wird er darum zum Autor und die Software zum Ghostwriter.
In der Forschung ist Autorschaft aber eine Form von Kapital. Worte und Wissen sind eng miteinander verbunden, darum muss in der Forschung die Quelle einer Information immer angegeben werden. Dementsprechend schwierig ist es nun geworden zu definieren, wer der Autor eines KI-generierten Textes ist.
Bedeutet das, dass KI nicht eingesetzt werden sollte?
Nein. Es ist grundsätzlich möglich, KI einzusetzen. Wichtig ist zu wissen, wie man sie einsetzt. Die meisten Universitäten erlauben es Forschern, KI einzusetzen, solange sie die Quellen angeben.
Diese Regel ist allerdings auf den Inhalt fokussiert. Sie sagt nichts über den Text aus. Viele Universitäten machen bis heute keine expliziten Vorgaben dazu, inwiefern KI für das Generieren von Text eingesetzt werden darf, da grundlegende Werkzeuge zur Textverbesserung schon lange in Gebrauch sind. Hinzu kommt, dass die Technologie sich schneller entwickelt als Universitäten darauf reagieren.
Wir sollten diese Diskussion weder den Universitäten noch der Politik oder gar der Technologie überlassen. Denn letztlich ist es eine Frage der Integrität. Die gut etablierten Regeln des Ghostwritings können uns dabei behilflich sein.
Über die Autorin
Danae Perez ist eine vielseitige Sprachexpertin mit langjähriger Erfahrung in Forschung und Privatwirtschaft und einer ansteckenden Leidenschaft für Menschen und Sprachen. Sie ist promovierte Sprachwissenschaftlerin und hat ihre Forschung über Sprachwandel in mehrsprachigen Kontexten bei den renommiertesten Verlagen publiziert. Seit fast zwei Jahrzehnten bietet Danae Perez Sprachdienstleistungen und Beratung für Kunden und hat in einer Vielzahl von Ländern, Kulturen und Sektoren gearbeitet. Sie hat die seltene Gabe, die Essenz einer Nachricht schnell zu verstehen und sie in die richtigen Worte zu fassen. Dadurch gelingt es ihr, die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Menschen, Kulturen und Disziplinen zu vereinfachen.